Fahrräder bringen neue Mobilität
Um besser vorwärts zu kommen, schwingen sich Bewohner der Flüchtlingsunterkunft im Esslinger Stadtteil Sulzgries neuerdings häufiger auf den Fahrradsattel. Besonders die Kinder der Flüchtlingsfamilien etwa aus Syrien freuen sich darüber; sie können ihren Bewegungsdrang jetzt spielerisch auf eigenen Rädern ausleben.
Dass für die noch im Asylverfahren befindlichen Flüchtlinge mehr Mobilität per Fahrrad überhaupt möglich gemacht werden konnte, ist hauptsächlich den Einwohnern der Esslinger Stadtteile Rüdern, Sulzgries, Krummenacker und Neckarhalde (RSKN) zu verdanken; sie spendeten mehr als 60 gebrauchte Fahrräder, die meisten mit moderner Mehrgangschaltung, an die örtliche Initiative Gemeinsam für Flüchtlinge in RSKN.
Klingeln montieren, Schrauben fixieren und Speichen justieren
Ein rund 10-köpfiges ehrenamtliches Team aus versierten freiwilligen „Schraubern“ brachte nach Feierabend die meisten Räder binnen sechs Wochen wieder auf Vordermann: Beispielsweise wurden Fahrradketten gespannt, Reifen gewechselt, Bremsen erneuert, Klingeln montiert, Schrauben fixiert und Speichen justiert. Namhafte Sponsoren unterstützten die Aktion. Beispielsweise spendete der internationale Sicherheitsausrüster ABUS eine von der Deutschen Verkehrswacht (DVW) ausgezeichnete Serie Fahrradhelme. Vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) ist das Engagement der ehrenamtlichen Esslinger Aktivisten für mehr Mobilität zudem ausdrücklich belobigt worden. Der nationale Dachverband stellte für jeden der neuen Esslinger Fahrradbesitzer in RSKN die Erstausgabe eines handlichen 50 Seiten umfassenden Ratgebers auch in arabischer Sprache zur Verfügung („Fahrrad fahren in Deutschland – Die wichtigsten Regeln“).
Als nächsten Schritt plant die Flüchtlingsinitiative in RSKN, zusätzlich noch ein Verkehrssicherheitstraining anzubieten. „Wir wollen, dass die Leute sich auf den Rädern möglichst sicher bewegen und die Verkehrsregeln beachten lernen“, sagte der Teamleiter der Fahrradwerkstatt, Matthias Holz. Er rief zu weiteren Fahrradspenden auf. Gebrauchte Räder und Roller können unter der E-Mail-Adresse radspende@holz.bike angeboten werden.
Das Team dankte zugleich der evangelischen Kirche; sie stellt bis auf Weiteres die Räume ihres ehemaligen Kindergartens im Stahlackerweg im Stadtteil Neckarhalde als Fahrradwerkstatt zur Verfügung. In den vergangenen Tagen nahmen dort Flüchtlinge ihre registrierten Räder samt Fahrradhelm und Fahrradschloss gegen eine persönliche Erklärung in Empfang. Darin wird unter anderem versichert, die Räder pfleglich zu behandeln und nicht zu veräußern.
Die erste Etappe der neuen stolzen Radbesitzer führte über die Neckarhalde. Auf der Hochebene befinden sich asphaltierte Wege, die – frei von motorisiertem Verkehr – an Gemüsefeldern entlang zur Flüchtlingsunterkunft in der Kornhalde führen. Dort sind seit Anfang Juni 2016 mehr als 90 Flüchtlinge in Wohngruppen untergebracht, darunter auch mehrere junge Familien. Sie alle werden von insgesamt 10 ehrenamtlich tätigen Teams der nitiative Gemeinsam für Flüchtlinge in RSKN betreut. Die Initiative wurde von etwa 300 Einwohnern aus RSKN im Herbst des vergangenen Jahres gegründet. Die Esslinger Stadtteile RSKN zählen zusammen über 8000 Einwohner. Im Schnitt etwa 16 Prozent davon haben einen Zuwanderungshintergrund.